Rainer Boldt - Ein Filmemacher aus Hohenlockstedt

Festival

Festival & Retrospektive mit den Filmen von Rainer Boldt im M.1 in Hohenlockstedt

(Vollständiges Filmprogramm mit allen Filmen und Zeiten unter dem Text.)

In den 70er, 80er und 90er Jahren war er bestens in der Branche vernetzt: Der in Hohenlockstedt aufgewachsene Film- und Fernsehregisseur Rainer Boldt. Er drehte Spielfilme, Fernsehserien und Mehrteiler; „Neues aus Uhlenbusch“ mit Hans Peter Korff, „Nicht von schlechten Eltern“ mit Sabine Postel und Ulrich Pleitgen, „Singles“ mit Barbara Wussow und Rolf Becker, „Der Geschichtenerzähler“ mit Christine Kaufmann und die Utta-Danella-Verfilmung „Der schwarze Spiegel“ mit Sonja Kirchberger.

Auch in seinen sonstigen Produktionen tauchen viele prominente Namen auf: Der österreichische Liedermacher Wolfgang Ambros, der junge Dieter Krebs, Monica Bleibtreu und später auch ihr Sohn Moritz, Kinski-Tochter Pola, Karl Dall, „Stachelschwein“ Wolfgang Gruner, Günter Lamprecht, Peter Sattmann, „Piroschka“-Verehrer Gunnar Möller und Dietmar Schönherr.

Trotzdem verstarb Boldt im Juli letzten Jahres fast vergessen: Nachdem er sich Anfang der 2000er Jahre mit diversen Medienfirmen überworfen hatte, zog er nach Formentera und verlor den Anschluss. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er krank und zurückgezogen in einem kleinen Häuschen in Borgsdorf bei Berlin.

Bereits im November letzten Jahres hat ein Rückblick von Christian Meurer im M.1 der Arthur Boskamp-Stiftung auf Boldts zentrale Rolle bei der „Film AG der KKS“ vor 50 Jahren hingewiesen. Mittlerweile sind sämtliche noch erhaltenen Boldt-Filme aus dieser Zeit digitalisiert und vorführbar. Mit einem EXTRA-Programm will der dortige Filmclub nun noch einmal umfassend an seine Anfänge im Kreis Steinburg erinnern.

Die größtenteils seitdem nicht mehr gezeigten Filme, zum Teil noch auf 8-mm-Material, zum Teil schon mit professioneller 16-mm-Kamera gedreht, erschließen eine erstaunliche Zielstrebigkeit: Der sechzehnjährige Oberschüler dreht zunächst noch gängige Heimfilme, beginnt aber schon bald mit kleinen, teilweise vertonten Reportagen über die Internationale Gartenbauausstellung in Hamburg 1963, die damals neue Fehmarn-Sund-Brücke oder einen Markttag in Itzehoe.

Ab 1965 entstehen dann, meist mit Freunden und KKS-Klassenkameraden als Darstellern, kleine Spielfilme, die alle in Itzehoe und Umgebung spielten. Themen sind eine verhauene Mathearbeit, beginnende Schülerliebe, Novemberimpressionen, ein Chemie-Experiment oder auch nur die Folgen eines Lochs in einer Hosentasche. Diese Filme reichte er bei nationalen und internationalen Jugendfilm-Wettbewerben ein und gewann stetig Preise im In- und Ausland dafür.

An der KKS gründete er gemeinsam mit Lehrer Wolfgang Reschke die Film-AG, als er im September 1966 Abitur machte, hielt Reschke bei der Verabschiedungsfeier eine praktisch auf ihn und seinen künstlerischen Weg zugeschnitten Rede, die für die Vorführung eines Boldt-Films unterbrochen wurde. Dank seiner Filme wurde Boldt an der neugegründete Film- und Fernsehakademie in West-Berlin aufgenommen. Vorher leistete er aber seinen Wehrdienst bei den Heeresfliegern am Hungrigen Wolf ab. Bis zu seinem Weggang nach Berlin sind so insgesamt über 30 Kurzfilmen entstanden.

Insgesamt sind sie ein Denkmal unbekümmerter und enthusiastischer Anfänge: Boldt drehte sich dabei einmal quer durch das Stilmittel-Repertoire der damalige Kino-Avantgarde, widmete einen Film den Rolling Stones, ließ in anderen aus dem Off die Beatles und die Beach Boys trällern – in einem rollen sogar Bundeswehrpanzer zum „Sha-la-la-lee“ der Small Faces. Seine Darsteller sind coole Oberschüler, Handelsschülerinnen und Studienräte der KKS, seine Schauplätze Itzehoe- wie die damalige Tchibo-Kaffee-Ausschank, das Karstadt-Innere am Ende der 60er Jahre, die Zuckerfabrik, die Gudewill-Kaserne und das Wartehäuschen am Dithmarscher Platz, sogar der OP der damaligen Klinik am Langen Peter. Alles von einem Temperament wahrgenommen, das das doch eher beschauliche Itzehoe auf der Leinwand zeitweilig in ein Pop-Universum Marke Eigenbau verwandeln konnte. Swinging Sixties an der Stör? Boldt gelang dieses Kunststück ohne Pose oder Prätention. Vom 2. – 4. Februar 2018 gibt es Gelegenheit, sich in Hohenlockstedt davon zu überzeugen.

Ein Bonbon gibt es vorweg: Zehn Jahre später, 1975 drehte Boldt in Itzehoe das Fernsehspiel „Menschenfresser“ mit Hans Peter Korff als zu Unrecht in Verdacht geratenem Sonderling. Dieser Film wird die Rückschau am Freitagabend eröffnen.

Text: Christian Meurer

Dieses Filmfestival wird ermöglicht durch die freundliche Unterstützung der Filmwerkstatt Kiel der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein, für die wir uns herzlich bedanken!

Preise & Tickets

Bei den Veranstaltungen am Sonnabend und Sonntagmorgen ist der Eintritt frei. Die Vorführungen am Freitagabend, Sonntagnachmittag und –abend sind Filmclub-Veranstaltungen.

Eintritt für Mitglieder 3,- / für Neumitglieder 5,-.

Veranstaltungsort

M.1 Arthur Boskamp-Stiftung
Breite Straße 18 (Eingang Finnische Allee)
25551 Hohenlockstedt

Termine

2018

4. Februar 20 Uhr Rainer Boldt Filmfestival: Frühe Arbeiten für das Fernsehen II
  • Elisabeths Kind, Fernsehspiel, 1981, 90 Min.
  • Esch oder die Anarchie, Fernsehspiel, 1979, 107 Min.
16 Uhr Rainer Boldt Filmfestival: Frühe Arbeiten für das Fernsehen I
  • Warten bis Lili kommt, Fernsehspiel, 1982, 50 Min.
  • Der Fehlschuss, Fernsehspiel, 1977, 95 Min.
10 Uhr Rainer Boldt Filmfestival: Reprise - Die frühen Filme
  • Nachtrag zu einer unwahrscheinlichen Gabi, 1966, 28 Min.
  • Slumberland, 1967, 18 Min.
  • Partizip Praesens, 1966,15 Min.
  • S’ist von den Stones, 1967, 10 Min.
  • Die Zeit hat zugebissen, 1967, 10 Min.
  • Das Antlitz des Mörders, 1967, 12 Min.
  • Vivre sa vie, 1966, 10 Min.
  • Ein erster Ausfall ist zu beklagen, 1967, 28 Min.
  • Filmfragmente, 1966/67, 10Min.
3. Februar 20 Uhr Rainer Boldt Filmfestival: Die frühen Filme III
  • Nachtrag zu einer unwahrscheinlichen Gabi, 1966, 28 Min.
  • Slumberland,1967, 18 Min.
  • Partizip Praesens, 1966, 15 Min.
  • S’ist von den Stones, 1967, 10 Min.
  • Die Zeit hat zugebissen, 1967, 10 Min.
  • Das Antlitz des Mörders, 1967, 12 Min.
  • Ein erster Ausfall ist zu beklagen, 1967, 28 Min.
  • Filmfragmente, 1966/67, 10 Min.
16 Uhr Rainer Boldt Filmfestival: Die frühen Filme II
  • 8 ½ oder wie man einen Film dreht, 1966, 9 Min.
  • Lehrer der KKS, 1965, 25 Min.
  • Ich habe 74, 1965, 15 Min.
  • Ein Schmetterling, 1965, 23 Min.
  • Kupferseide 2. Versuch, 1965, 10 Min.
  • Denkens Abgang, 1966,14 Min.
  • Vivre sa vie, 1966, 10 Min.
  • Partizip Praesens, 1966, 15 Min.
  • Soldat, 1967, 15 Min.
10 Uhr Rainer Boldt Filmfestival: Die frühen Filme I
  • Zwei Portraitfilme von/über Rainer Boldt von Rainer Boldt und Jacob Bilabel, * 1995 / 2017, 10 Min.
  • Hohenlockstedt-Impressionen, 1963, 2 Min.
  • Die Vogelfluglinie, 1963, 8 Min.
  • IGA ’63, 1963, 6 Min.
  • Mein Zimmer, 1964, 2 Min.
  • Werbetrickfilm Ceterum Censeo, 1964, 1 Min.
  • Werbetrickfilm Klassenkasse, 1964, 1 Min.
  • Markt, 1964, 6 Min.
  • November, 1964, 5 Min.
  • Gesicht einer Großstadt, 1964, 10 Min.
  • Dreck, 1965, 5 Min.
  • City, 1965, 5 Min.
  • Film Nr. 34 (Hohenlockstedt), 1965, 5 Min.
  • Ferien von der Schule, 1965, 28 Min.
  • Mes amis europeens, 1966, 24 Min.
2. Februar 20 Uhr Rainer Boldt Filmfestival: Fernsehspiel
  • Menschenfresser, 1975, Fernsehspiel, 92 Min.